„Für mich war das Beratungsgespräch der optimale Einstieg in das Fördersystem“
Als Martin Rahmel 2020 die Leitung der Chemical Invention Factory (CIF), einem Ausgründungszentrum für Grüne Chemie der TU Berlin, übernommen hat, war es seine Aufgabe, die CIF strategisch und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Heute koordiniert er das Projektkonsortium GreenCHEM, das vom Bund mit mehreren Millionen Euro gefördert wird. Im Interview erklärt er, wie er bei der Suche nach einer Förderung vorgegangen ist, welche Rolle die Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes dabei gespielt hat und worauf es bei der Entwicklung einer Projektidee ankommt.
Herr Rahmel, was macht die CIF zu einem besonderen Ausgründungszentrum?
Die Chemical Invention Factory | John Warner Center for Start-ups in Green Chemistry – kurz CIF – ist ein Ausgründungszentrum für Grüne Chemie an der TU Berlin, das sich 2017 aus dem Berliner Exzellenzcluster Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat) entwickelt hat. Durch erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer unterstützen wir innovative Unternehmensausgründungen in der Grünen Chemie, der Materialwissenschaft und der Nanotechnologie. Dabei verstehen wir die CIF als einen Ort, an dem chemische Prozesse und Produkte nachhaltig gedacht werden. In den kommenden Jahren werden wir dafür ein neues Gebäude errichten, das neben einer voll ausgestatteten Infrastruktur für chemische Vorhaben (Labore, Analyseräume, Lager & Entsorgung) auch viel Raum für kreativen Austausch bieten wird. Als ich vor zwei Jahren die Geschäftsführung übernommen habe, war es meine Aufgabe, den Grundgedanken der in der Aufbauphase befindlichen CIF zu einem tragfähigen Geschäftsmodell strategisch weiterzuentwickeln.
Wie sah Ihr Konzept für die CIF aus und wie unterscheidet es sich von Ihrem Projekt GreenCHEM?
Das Projekt GreenCHEM leitet sich aus meinen Überlegungen zur Weiterentwicklung der CIF ab und ist größtenteils damit deckungsgleich – nur etwas größer gedacht. Gemeinsam ist die Mission: Nachhaltigkeitswirkung von Grüner Chemie durch Transfer zum Wohle unseres Planeten zu entfalten. Dazu werden wir in Berlin ein Ökosystem mit internationaler Strahlkraft aufbauen. Ein Ort, an dem alle Stakeholder zusammenkommen, um den Transfer von Forschungsergebnissen in Marktanwendungen zu gestalten. Damit wollen wir die Wende in der Chemie-Branche vorantreiben – weg vom Einsatz fossiler Rohstoffe, hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die auf erneuerbaren Ressourcen basiert. Um das zu erreichen, werden wir innovative Transferformate entwickeln, die uns helfen, Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen und Lösungen unternehmerisch bis zur Marktreife zu entwickeln. Ergänzt werden soll dies durch neue gründungsorientierte Lehrformate in Ausbildung, Studium und Weiterbildung. Zudem werden wir mit transparenter Öffentlichkeitsarbeit dazu beitragen, das Bild von der Chemie in der Gesellschaft zu schärfen, denn Grüne Chemie ist ein Problemlöser für nahezu alle unserer großen materiellen Herausforderungen.
Wie sind Sie bei der Suche nach geeigneten Fördermöglichkeiten vorgegangen? Welche Informationsquellen und Unterstützungsangebote haben Sie genutzt?
Wie eingangs gesagt, habe ich zunächst ein Konzept für die CIF entwickelt und mir anschließend überlegt, welche Finanzierungsmöglichkeiten für ein solches Vorhaben in Frage kämen. Da der gesamtgesellschaftliche Nutzen, also der Wandel der Chemie-Branche hin zu einer materiell nachhaltigen Branche, im Vordergrund des Projekts steht, erschien mir die staatliche Förderung als Instrument für eine Anschubfinanzierung am sinnvollsten. Da ich nicht so vertraut war mit dem deutschen Fördersystem, habe ich mich mit Kolleginnen und Kollegen an der TU Berlin ausgetauscht. Jedoch konnte mir niemand eine passende Fördermaßnahme für meine Projektidee nennen. Bei der weiteren Recherche bin ich auf die Webseite der Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes gestoßen, auf der ich mir einen Überblick über aktuelle Fördermaßnahmen verschaffen konnte. Dort bin ich auch auf das Angebot für eine kostenfreie Beratung aufmerksam geworden. Das war genau das, wonach ich gesucht habe. Per E-Mail habe ich dann um einen Beratungstermin gebeten.
Wie ist das Beratungsgespräch bei der Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes abgelaufen? Welche Unterstützung haben Sie dort erhalten?
Das Beratungsgespräch war sehr angenehm. Ich habe der Beraterin zunächst mein Konzept und den damit verbundenen gesellschaftlichen Mehrwert vorgestellt. Die Rückmeldung war äußerst positiv, jedoch stellte sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass es für mein Projekt zu dem Zeitpunkt keine offenen Fördermöglichkeiten gab. Das hat mich natürlich zuerst etwas enttäuscht. Die Beraterin hat mich zwar auf alternative Förderangebote auf europäischer Ebene hingewiesen, diese erschienen mir aber aufgrund des größeren Wettbewerbs weniger erfolgsversprechend. Auf Empfehlung habe ich den Newsletter der Förderberatung abonniert, über den man regelmäßig über neue Förderangebote des Bundes informiert wird. Etwa zwei Monate später wurde ich über den Newsletter auf die Förderrichtlinie T!Raum des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aufmerksam. Eine Maßnahme, mit der neue Ansätze für den Wissens- und Technologietransfer gefördert werden. Volltreffer, dachte ich. Das entsprach genau dem, was ich mit der CIF vorhatte. Ich habe daraufhin nochmal die Förderberatung kontaktiert und grundsätzliche Informationen zur Fördermaßnahme T!Raum eingeholt.
Welche weiteren Schritte haben Sie nach dem Beratungsgespräch unternommen?
Nach dem Beratungsgespräch habe ich mich mit den Details der Förderrichtlinie auseinandergesetzt. Die Beraterin hatte mich zuvor auf eine Informationsveranstaltung des Projektträgers, der die Fördermaßnahme im Auftrag des Ministeriums umsetzt, hingewiesen. Nach dem Besuch der Veranstaltung war für mich klar: Ich muss diese Chance ergreifen. Daraufhin stand die Partnerakquise und Bildung eines Konsortiums im Vordergrund. Denn bei T!Raum waren Einzelanträge von Universitäten nicht möglich, nur Verbundanträge mehrerer Einrichtungen. Da ein Konsortium ganz im Sinne der Mission ist und zudem kritische Masse erzeugt, habe ich angefangen, Kontakt zu den Berliner Universitäten und Chemie-Unternehmen aufzunehmen, um meine Projektidee vorzustellen. Die Chemie-Institute der Berliner Universitäten HU Berlin, FU Berlin und TU Berlin arbeiten bereits im Exzellenzclusters UniSysCat eng zusammen. Doch im Transferbereich ist die enge Zusammenarbeit mit „Science & Startups“ erst im Aufbau. Entsprechend groß war auch das Interesse an meiner Projektidee. Ich habe dann die beiden Universitäten und die Unternehmen BERLIN-CHEMIE AG und Covestro AG an einen Tisch geholt. In einem Workshop haben wir meine Projektidee intensiv besprochen, weitere Ideen ausgetauscht und am Ende beschlossen: Ja, wir wollen einen gemeinsamen Antrag einreichen. GreenCHEM war damit geboren.
Ende 2022 haben Sie die Nachricht erhalten, dass Ihr Antrag erfolgreich war und dass GreenCHEM in den kommenden Jahren mit bis zu 10 Millionen Euro gefördert wird. Welche Arbeiten stehen 2023 bei Ihnen an?
In den ersten Monaten werden wir uns dem Aufbau eines Ökosystems für Innovationen in der Grünen Chemie widmen. Hierfür müssen Grundlagen in drei Bereichen geschaffen werden. Im ersten Bereich geht es darum, ein Kommunikationsteam aufzubauen, das sowohl die interne als auch externe Kommunikation schmiedet und verantwortet. Daneben müssen wir die bereits erwähnten Transferformate entwickeln, die die Besonderheiten der Chemie berücksichtigen. Die Entwicklung eines zukunftsfähigen Geschäfts- und Finanzierungsmodells für GreenCHEM bildet den dritten Bereich. Das wird nicht ganz einfach werden, denn die Transferarbeit befindet sich an der Schnittstelle zwischen nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit, also Forschung und Lehre, und wirtschaftlicher Tätigkeit. Wir sind überzeugt, die Aufbauarbeiten in der zweiten Jahreshälfte so weit vorangetrieben zu haben, dass der Betrieb des Ökosystems beginnen kann, das heißt, die Umsetzung der ersten Transferformate.
Nach Ihren bisherigen Erfahrungen, welchen Ratschlag können Sie Menschen geben, die nach einer Förderung für ihre Projektidee suchen?
Am Anfang steht die Frage: Warum will ich das Projekt eigentlich machen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, denn sie geht an den essentiellen Kern, die normativen Werte, die Grundlage des Projekts. Auch bei uns hat es eine Weile gedauert, bis wir unsere Mission prägnant auf den Punkt bringen konnten. Aus der Mission müssen dann die Ziele, die Aktivitäten und der Zeitplan abgeleitet werden – all das muss in ein Konzept gegossen werden. Wenn man ein Konzept hat, dann begibt man sich auf die Suche nach einer geeigneten Finanzierung. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, sich zuerst mehrere Förderprogramme durchzulesen und sich dann zu überlegen, wie man sein Projekt dazu passend aufbauen kann. Grundsätzlich sollte man sich auch Gedanken über die verschiedenen Finanzierungswege machen. Es muss nicht immer eine staatliche Förderung sein. Und wenn es um das Thema Forschungs- und Innovationsförderung geht, dann ist natürlich die Förderberatung des Bundes die richtige Anlaufstelle für Nachfragen. Niemand hat einen besseren Überblick. Für mich war das Beratungsgespräch der optimale Einstieg in das Fördersystem.
Vielen Dank!
Das Gespräch führte Filip Stiglmayer, Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes